Wenn Worte fehlen, hilft Chor-Singen

 

(Recherche Forschungsergebnis zum Thema Chorsingen)

 

 

Wenn man die richtigen Worte einfach nicht finden kann, obwohl sie einem doch auf der Zunge liegen, dann sollte man einem Chor beitreten. Denn Chor-Singen hilft Menschen mit Aphasie, wieder zu sprechen, berichtet New Scientist online von einer Studie aus Kanada. Das Phänomen, das Aphasiker Wörter zwar nicht sprechen, aber singen können, ist Neurologen bekannt.

 

Isabelle Peretz und ihre Kollegen von der University of Montreal haben nun Menschen mit Aphasie singen lassen, und zwar bekannte und unbekannte Lieder, allein und im Chor. Dabei haben die Forscher festgestellt, dass die Sprache nicht viel besser wird, wenn die Patienten allein vor sich hin singen. Im Chor zu singen allerdings verbessert die Fähigkeit, Wörter zu erkennen und auszusprechen, dramatisch egal, was gesungen wird. Es scheine also nicht allein auf das Singen anzukommen, sondern auf den Austausch mit anderen Sängern, so Peretz.

 

Bei Aphasie: Singen unterstützt Sprachfindung

 

Eine klassische Beobachtung der Neurologen ist, dass Aphasie-Patienten Wörter singen können, die sie anders nicht auszusprechen in der Lage sind, schreiben Isabelle Peretz und ihre zwei Kolleginnen von der University of Montreal.

 

Es gebe zwar mehrere nahe liegende Gründe dafür, dass Singen die Spracherzeugung verbessern kann. So könne beispielsweise davon ausgegangen werden, dass die Melodie dem Gedächtnis bei der Wortfindung auf die Sprünge hilft, da beides – Melodie und Wörter –in der Erinnerung sehr eng miteinander verknüpft sind. Ausserdem würde das rhythmische Singen die Geschwindigkeit herabsetzen, mit der Wörter produziert werden müssen und so vermutlich die Verständlichkeit verbessern.

 

Beweislage

 

Doch die Beweislage für einen solchen Zusammenhang sei nicht sehr umfassend, so die kanadischen Forscherinnen. Sie untersuchten daher acht Patienten mit Hirnschäden, die an unterschiedlichen Formen von Sprachstörungen litten – alle eine Folge einer Verletzung der linken Hemisphäre, in der bei Rechtshändern das Sprachzentrum liegt.

 

Im ersten Experiment sollten sich die Patienten an Wörter, die bekannten Songtexten, Sprüchen und Gebeten entstammten, erinnern und diese alleine singen bzw. sprechen.

 

In einem zweiten Experiment wurden die Probanden gebeten, Wörter von neu erlernten Songs zu reproduzieren. In beiden Fällen gab es zwischen dem Singen und Sprechen der Wörter keinen Unterschied – die «Sprachproduktion» war ähnlich gut bzw. schlecht.

 

In einem dritten Experiment durften die Patienten neu erlernte Texte in einem Chor singen bzw. sprechen. Das Ergebnis: Die Patienten konnten sich an viel mehr Wörter erinnern und diese auch hervorbringen, als sie diese gemeinsam sangen.

 

Die Ergebnisse zeigen, so die Forscher, dass das Singen in einem Chor effektiver sei als das gemeinsame Sprechen – zumindest in Französisch, der Untersuchungssprache.

 

Nur im Chor deutlich besser

 

Chorsingen könne demnach eine gute Behandlungsmethode für Aphasie-Patienten sein.

 

Singen als gemeinsame Motivation und Erfahrung

 

Es ist vermutlich nicht das Singen allein, was der Spracherinnerung auf die Sprünge hilft, sondern die geteilte Stimmung und Erfahrung zwischen den Sängern, folgern die Wissenschaftlerinnen.

 

Gesang ist gesund – vor allem dann, wenn Menschen ihre eigene Stimme erklingen lassen. Mehrere Studien belegen: Singen wirkt sich in vielerlei Hinsicht positiv auf Körper und Geist aus. Und: Wer in der Gruppe singt, der findet nicht nur starke soziale Kontakte, sondern vielleicht auch verloren gegangene Worte wieder.

 


 Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen bei Erwachsenen

 Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen bei Erwachsenen treten häufig nach Hirnverletzungen (z.B. Hirnschlag, Schädelhirntrauma, Tumor, degenerative Erkrankungen) auf oder nach peripheren Operationen (bedingt durch Tumore). Daneben gibt es auch funktionale Stimmstörungen. Im Folgenden werden die am häufigsten auftretenden Störungsbilder exemplarisch dargestellt.

 

Aphasie

Mit Aphasie wird eine zentrale Sprachstörung bezeichnet, die sich auf alle expressiven und rezeptiven Modalitäten erstreckt: Sprechen, Verstehen, Schreiben und Lesen sind in unterschiedlichem Ausmasse beeinträchtigt. Siehe hierzu www.aphasie.org

 

Sprechapraxie

Eine Sprechapraxie entsteht infolge einer Hirnschädigung der sprachdominanten Hirnhälfte. Die Lautstruktur von Wörtern und Sätzen ist gestört; es werden Laute ausgelassen, hinzugefügt und in falscher Reihenfolge geäussert. Häufig sind ausgeprägte Suchbewegungen von Lippen und Zunge zu beobachten. Die Sprechmuskulatur und die Stimme sind nicht beeinträchtigt, sondern es scheint die Planung der Bewegungsmuster gestört zu sein. Eine Sprechapraxie kann isoliert vorkommen, tritt jedoch meist in Verbindung mit einer Aphasie auf.

 

Alexie

Eine reine Alexie zeichnet sich dadurch aus, dass Betroffene nur noch buchstabierend lesen können. Das ganzheitliche Erkennen von Wörtern gelingt besser, wenn den Patienten der Inhalt des zu Lesenden bekannt ist. Der visuelle Zugriff auf das Wissen um Buchstaben und ihre Kombinationen (graphematisches Wissen) ist gestört, wobei das graphematische Wissen selbst ungestört ist.

 

Agraphie

Beim Vorliegen einer reinen Agraphie ist es den Betroffenen nicht mehr möglich spontan oder nach Diktat zu schreiben, obwohl sie lesen, sprechen und verstehen können.

 

Dysarthrophonie

Bei einer Sprechstörung (Dysarthrie) können Laute, Wörter und Sätze nicht mehr deutlich und verständlich ausgesprochen werden. Patienten mit einer Dysarthrophonie haben keine Störung in der Sprache wie es die Aphasiker haben. Bei ihnen ist die Sprechmotorik auf Grund einer Erkrankung (z.B. Parkinson) oder einer Verletzung betroffen. Da infolge einer Dysarthrie meistens auch die Atmung und die Stimmbildung beeinträchtigt sind, spricht man von Dysarthrophonie. Die Stimme kann heiser, gepresst, schwach, verhaucht, nasal klingen. Gegenüber der Sprechapraxie sind die Artikulationsstörungen der Dysarthriker konstant.

 

Stimmstörung

Stimmstörungen drücken sich durch unterschiedliche Grade von Heiserkeit aus. Nach dreiwöchiger Dauer sollte ein Arzt konsultiert werden. Stimmstörungen sind selten organisch (neurologisch, genetisch, hormonell) bedingt. Sie können gelegentlich durch Verletzungen oder Erkrankungen der Stimmgebungsorgane entstehen, sind jedoch meist funktionell bedingt (Dysfunktion von Haltung, Tonus, Atmung und Stimme) und stehen oft in Zusammenhang mit dem emotionalen Erleben des Betroffenen. Ein operativer Eingriff ist deshalb selten notwenig, vielmehr ist zur möglichen Stimmverbesserung eine Stimmtherapie mit Gesprächen und Körperübungen oder einer Psychotherapie angebracht.

 

Dysphagie

Schluckstörungen (Dysphagien) erschweren oder verhindern die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme und schränken zudem häufig das Sozialleben z.B. das Miteinanderessen beträchtlich ein. Schluckstörungen können durch zentrale Läsionen wie z.B. Hirnschlag, Schädelhirntrauma, Multiple Sklerose, usw. verursacht werden oder durch Operationen und Bestrahlung von Tumoren im Hals- oder Mundbereich. Auch psychische Faktoren können zu einer Schluckproblematik führen.